Ein Gutmensch bin ich also? Ist mir jahrelang gar nicht aufgefallen. Ich: Gutfrau. Ja, wo kämen wir nur hin ohne die Bescheidwisser, die Weltdurchschauer, die einem erklären, wer man ist, wie der Hase läuft, wo der Frosch die Locken hat und was es unter Adolf nicht gegeben hätte: die Wahrheitsmenschen. Sie essen Wahrheit, sie saufen Wahrheit und rülpsen sie, sie schlafen auf Wahrheitsmatratzen, marschieren in Wahrheitsschuhen herum, auf Wahrheitsstraßen. Unbegreiflich, warum dies hier nicht längst ihr Wahrheitsstaat geworden ist, auf den sie mit so viel Feuereifer hinarbeiten. Schuld daran, sagt ihnen ihr innerer Erkläromat, sind diese lästigen Gutmenschen, die der Wahrheit immer im Wege stehen müssen. Um mit diesem Titel bedacht zu werden, braucht man inzwischen schon nicht mehr gleichzeitig Veganer, Umweltschützer, Waldorf-Pädagoge und Linkswähler zu sein, sondern es genügt, Brandanschläge auf Unschuldige als abartig zu bezeichnen. Die Gutfrau sagt das gern noch mal deutlich: BRANDANSCHLÄGE AUF UNSCHULDIGE ZU VERÜBEN IST ABARTIG. Die Gutmenschen, so hallt es wider, diese Schwachmenschen, Weichmenschen, Blindmenschen, kapierten eben nicht, was Mut zur Wahrheit bedeute, und dass dieser sich hier nun in Taten zeige. Gefaselgeschwulste, pathologische Pathetik: Eine Wahrheit, für die Andere brennen sollen, ist eine Geisteskrankheit. Wenn schon, dann selber brennen. Gutfrau, die ich also bin, will ich, dass meine Hütte vor Gutfeuer lodert, für´s Gute will ich selbst als Brennstoff funktionieren, Feuer und Flamme sein für was Warmes, was Positives. Ihr kalten Deppen!
Bild: „And we´re carrying the fire“ (Grebe 2014)