Die Sommerferien sind vorbei.
Kein hitziger Freibad-Sommer war das, aber doch eine zähe, unbewegliche, plattgedrückte Zeit; in jedem Jahr verfalle ich in solche Sommerstarre, es ist einfach nicht meine Jahreszeit.
Keine Reise. Viel Wandern, einmal Wattwandern, sonst keine sonderlichen Ausflüge. An den verregneten Tagen erinnerten mich diese trägen Ferien ausgesprochen deutlich an meine eigenen Schulferien – in den 90ern – , was kein Zufall ist, wo ich doch neuerdings mit Kind und Mann in meinem Elternhaus wohne. (Das sollten Sie nicht etwa als einen Rückzug in meine heile Kindheitswelt missverstehen. Hier gibt’s bloß einen Haufen Arbeit.) Neben der räumlichen Nähe besteht auch qualitative Ähnlichkeit: Ferien bedeuteten für mich als Kind, die Zeit totzuschlagen. Mich irgendwie zu beschäftigen. Keine – ich wiederhole: keine – Termine zu haben. In meiner Kindheit ging man, ganz wie in pandemiebewussten Zeiten, auch nicht einfach Leute besuchen, in Restaurants oder Museen, es gab kaum Sport-, keine Unterhaltungsangebote vor Ort, hier in der Provinz, und für mich auch keine Spielbesuche. Es war nichts los. Gar nichts. Und in den Ferien noch weniger als das.
Nie bin ich anfälliger für gemütskranke Schübe als im Sommer.
Meine Jobsuche: keine interessanten Stellen, zwei Absagen.
(Immerhin macht mir, wie gesagt, das Haus zu viel Arbeit, um sagen zu können, ich hätte Langeweile. Aber nicht die Art von Arbeit, um sagen zu können, ich hätte eine Aufgabe.)
Ich bin heilfroh, dass mein Kind nach dem Umzug hierher gut anknüpfen konnte an alte Freundschaften, auch neue dazugewonnen hat und nach den ersten Schultagen als Fünftklässler glücklich über die neue Schule ist. Das ist meine Pandemietaktik: Grundlagen definieren, die gesichert sein müssen – Kind glücklich, Mann gesund – , und allem übrigen einfach seinen Lauf lassen. Dankbar sein. Nicht nölen.
Ich bin tatsächlich dankbar, es könnte uns tatsächlich schlechter gehen. Es ging uns schon schlechter.
Ob der Bläserkurs in der Schule, für den sich mein Sohn eingetragen hatte und den er kaum erwarten kann, einigermaßen stattfinden kann, muss sich zeigen. Ich wäre schon zufrieden, wenn wir nicht nach den ersten paar Schultagen direkt in die erste Quarantäne wandern.
Anfangs habe ich mich lustig gemacht über solche Leute, die es nicht aushalten können, wenn ihr Alltags-Einerlei ausnahmsweise einmal nicht nach Plan verläuft. Ich selber kann Alltag nicht gut; in kritischen Lagen bin ich viel, sagen wir mal, funktionaler. Aber jetzt, da das Auf und Ab mit der Pandemie zum Alltags-Einerlei geworden ist – da geht es mir reell ans Eingemachte.
Die kleine Stereoanlage in meiner Küche spielt pausenlos Nachrichten, Features und Musik ab, weil Geräusche die Decken davon abhalten, mir auf den Kopf zu fallen. Vor einer Weile habe ich mir mal eine neue CD bestellt (ich gönne mir das selten), die ich inzwischen schlechterdings als mein Pandemie-Album bezeichnen muss; erschienen war es schon 2019, lief für mich aber erst unter Lockdown-Bedingungen zu Idealform auf und schmiert seitdem quasi täglich seine klebrigen Melodien an meine Wände. Bowman Trio, Persistence. Drei Finnen mit Trompete, Bass und Schlagzeug. Das ist sehr hörbarer, dabei aber kein glatter Jazz: zähe, trottende Dynamik, in der es ab und an unrund stolpert. Manchmal versucht die Trompete, ein Stück auf Trab zu bringen, dann aber geht ihr doch die Puste aus und sie legt sich müde hin – allerdings nie endgültig, sie berappelt sich immer wieder. Persistence heißt ja so viel wie Beharrlichkeit, und das passt denn auch zu diesem Album, dessen Ton häufig kurz davor scheint, vor Entkräftung dahinzusiechen, und gleichzeitig einfach nicht totzukriegen ist; bestechend perfekt also auch sein atmosphärischer Einklang mit meinem Alltags-Einerlei.
Besonders das Titelstück ist ein Ohrwurm, der mich seit Monaten verfolgt: ein unauffälliges, aber unerbittliches Stück. Manchmal, wissen Sie, da stelle ich mir schaudernd vor, wie es gespielt vom Bläserorchester meines Kindes klingen würde, in einem oder zwei Jahren, ein jedes Kind mit seiner Trompete oder Posaune zugeschaltet von zuhause via IServ-Videokonferenz.
Les ich heute abend. Toll, wieder von Dir zu hören! Man sollte Dich mit einem Computer einsperren und drei Monate lang Arbeit von Dir fernhalten.
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Vier! (Realistisch betrachtet würde ich aber nach fünf Tagen die Beine in die Hand nehmen und ausbüxen, aus purer Not – ich bin kein guter Umgang für mich.)
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Ausbüxen – okay. Dann wiederkommen und weitermachen!
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In die CD reingehört, mal bestellt, erinnert mich an meinen ersten Zivi im Beruf, der wollte Jazz-Trompeter werden. Hat den ganzen Tag geübt.
Aber ich werde lieber nichts nebenbei machen.
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Ist er‘s geworden?
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Weiß nicht, nichts mehr gehört.
Sein Bruder hat etwas Erfolg (C.B.Green – nicht unbedingt meins).
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Ein solider down to earth Text von dir.Wo sind die ganzen verspielten Gedanken hin?
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Ja wirklich, nicht? Es wird ernst!
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Bis auf weiteres…
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