Mein Vater, der eigentlich gern zur See hätte fahren wollen, ging notgedrungenerweise erst einmal unter Tage. Himmel!, mit 15, 16 Jahren im Schacht herumzukriechen anstatt übern Atlantik zu schaukeln – man möchte doch eine Möwe sein, keine Ameise! Prompte Flucht aus dem Berg, als es sich anbot, zu den Fliegern zu gehen. Nein, nicht als Pilot: als Elektriker. Als Kind durfte ich bei Gelegenheit in diversen historischen und modernen Flugmaschinen herumhampeln. Für mich waren das Tiere – herrlich große, herrlich laute, auch gefährliche, die sich uns gegenüber allerdings zutraulich gaben: Junkers Ju 52, Transall C-160, Antonow An-124 „Ruslan“, Lockheed C-5 „Galaxy“ und C-130 (zivil: L-100) „Hercules“. Den Kabelbaum einer Transall (Kilometer über Kilometer Kabel) zu untersuchen und zu warten, das stellte ich mir nicht anders vor, als im Bauch eines Walfisches nach Nervenbahnen zu tasten und dabei zu wissen, wo man zukneifen muss, damit die linke Flosse zuckt. Zusammen in Urlaub geflogen sind wir übrigens nie. Und Aviatik interessiert mich bis heute nicht. Das rätselhafte Innenleben von Flugwesen dagegen immer noch: alten Modellen unter die genietete Blechhaut schlüpfen, Rippenbögen zählen, an Schaltorganen drücken und hebeln, Schweißungsnarben betasten; den gegenwärtigeren Typen ins Innere der Turbinenlungen, ins Cockpithirn und Motorenherz schauen. Mein Vater lebt schon lange nicht mehr – stellvertretend besuche ich „seine“ Flugzeuge im Museum.
Fotos aus der Ju-52-Halle, Grebe 2016
Als Kind habe ich mal einen Flug mit einer Transall gewonnen, ich kannte ihr Dröhnen schon gut, weil bei uns in der Nähe ein Militärflughafen war (ist heute renaturiert), es war wirklich wie im Innern eines Metallwals und mächtig laut während des Flugs über die Heimatdörfer 🙂
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Ja, Komfort geht anders – aber was für ein Abenteuer!
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Für mich waren Flugzeuge immer traummaschinen, die alles konnten und mich von der Erde mitnahmen in die Leichtigkeit des Himmels. Als ich dann mit Mitte Zwanzig zum ersten mal flog war es eine riesige Enttäuschung. Alles war so laut, kompliziert und beschränkt.
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Das stimmt, eine gewisse Ernüchterung holt man sich zwangsläufig ab bei all dem Aufwand am Flughafen. Aber ohne den Lärm wär’s für mich nicht das selbe – der Lärm macht das Flugzeug. An Elektroautos, Umweltvernunft hin oder her, schreckt mich die Lautlosigkeit zum Beispiel komplett ab: Ein Auto, das vorgibt, keine Maschine zu sein, indem es still über die Straßen geistert, irritiert mich maßlos. Bist Du mal mit dem Segelflugzeug abgehoben? Ich hatte ein Angebot, einmal mit in einen Segelflieger zu steigen, aus purer Feigheit abgelehnt; irgendwie war da zu wenig Maschine, die mich vor all dem Himmel hätte in Sicherheit wiegen können, ich hatte Angst vorm Beinahe-selbst-fliegen. Bei meinem ersten Linienflug, ebenfalls mit Mitte Zwanzig, hätte ich ein ähnliches Angstgefühl bei mir erwartet – ganz im Gegenteil war ich, die auf Schiffen seekrank und auf der Autobahn ab 130 langsam panisch wird und im ICE unter Platzangst leidet, vollkommen aufgekratzt glücklich, ich habe nonstop staunend aus dem Fenster geguckt, mich benommen wie ein giggelndes Kleinkind und wollte nach der Landung gar nicht wieder raus aus dem dröhnenden Vogel.
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Ich beneide Dich für solche Kindheitserinnerungen. Große Maschinen und dann auch noch Flugvögel.
Den Vergleich mit dem Walfischbauch finde ich sehr schön.
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Ich fand natürlich faszinierend, dass diese tonnenschweren Dinger überhaupt fliegen können. Von Physik hatte und habe ich keine Ahnung, aber man begreift ja auch ganz ohnedem, wie gewaltig die Energie ist, die bei einem Flugzeugstart wirkt – dass solche Energie möglich ist: da schlug mir als Kind vor Begeisterung das Herz bis an die Backenzähne. Der Kern meiner Flugzeug-Erinnerungen ist aber der: Diese Wucht entspringt keinem Übermut, sondern wird, im Gegenteil, hervorgebracht aus einem hirnerweichend komplexen, wahnsinnig sorgfaltsbedürftigen Zusammenspiel kleinster Teile; indem ich das begriff, hab ich was fürs Leben gelernt, denke ich.
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