WAHN-VERWANDTSCHAFTEN > Irgendwann werden die Biester uns holen kommen – deal with it.


A wild pack of family dogs came runnin‘ through the yard one day
My father got his gun, shot it up, they ran away, okay
A wild pack of family dogs came runnin‘ through the yard
And as my own dog ran away with them

I didn’t say much of anything at all
Didn’t say much of anything at all
Didn’t say much of anything at all

A wild pack of family dogs came runnin‘ through the yard
As my little sister played
The dogs took her away and I guess she was eaten up okay
Yeah, she was eaten up okay

My mother’s cryin‘ blood dust now
My mother’s cryin‘ blood dust now
Mother’s cryin‘ blood dust now

My dad, he quit his job today
Well, I guess he was fired but that’s okay
And I’m sittin‘ outside by my mud lake waiting for the pack to take me away
Right after I die, the dogs start floating up towards the glowing sky

Now they’ll receive their reward
Now they will receive their reward
Yeah, they will receive their rewards


Irgendwas stimmt einfach nicht mit der Welt – das merkt man spätenstens, sobald einen neben den unvermeidbaren heimtückischen Überraschungen des Lebens auch noch die Pubertät heimsucht. Pünktlich zu meiner selbigen trat die Band Modest Mouse auf den Plan. Schülerbandmäßig geschrammelt und nuschelig dahingeträllert, dazu dann ein Text, der irgendwie Bauchweh macht, fertig ist die Modest-Mouse-ja was?-Ballade. Oft kreisen die Texte um Kontrollverlust, da bieten sich die Themen Familie und Liebesbeziehung geradezu an als Minenfelder der mangelnden Kontrollgarantie. Die Feststellung, etwas stimme nicht mit der Welt, ihren Bewohnern und Einrichtungen ist der Kern der Modest-Mouse-Logik – der ständige Unterton lautet allerdings eher: Etwas stimmt nicht mit mir. Ein wiederkehrendes Motiv ist das Gehirn, das unkontrolliert rast oder pennt, wie es gerade will – es reagiert willkürlich auf emotionale Reize, ist untauglich als Steuerungsinstrument, vielmehr die reinste Chaosmaschine, die überempfindlich und unvorhersehbar ausschlägt und explodiert. My brain’s the burger and my heart’s the charcoal (Lounge). All das wirkt sich entsprechend auf die Weltsicht aus: Vater, Mutter, zwei Kinder, Garten. Könnte nett sein, kommt melodisch auch daher wie ein Kinderlied. In der einzig denkbaren, nämlich der Abgrund-Version von Idylle aber zerreißen dann menschenfressende Rudelbestien die Familie und man sitzt fatalistisch am Matschtümpel um auf den Tod zu warten.

Oft von hypsterischen Nachfolgern kopiert, aber nie erreicht ist neben dem Pixies-verwandten Sound vor Allem jenes mitunter kryptische Songwriting – Texte, die tief in der Magengrube, wo sich vielleicht das lichtscheue Unterbewusstsein hin verkriecht, wenn´s im Gehirn mal zu hell wird, eine Menge Tumult verursachen. Um vordergründige Horror-Effekte geht es dabei nie, vielmehr werden die Schocks und Scheußlichkeiten im Leben, diese wirklich unangenehm bohrenden Dinge, Verunsicherungen, Wahn und Wut als gegebene Lebensrealitäten achselzuckend in den Lyric-Kosmos mit einbezogen. Keine Psychiatrie-Dichtung, sondern lediglich Texte, die als Ventil für die Kehrseiten der Alltagsnormalität funktionieren. Logisch, dass sich das musikalisch auch in handfestem Krach und Geschrei ausdrückt, womit die Band ihre lethargisch-ironische Fassade immer dann, wenn sie gerade Lust dazu hat, pulverisiert, um sie gleich danach gemütlich wieder aufzubauen. Unverstellte gutgelaunte und entspannte Momente wirken darin umso zerbrechlicher.

Seit rund zwanzig Jahren bereits sind die eigenwillig-bis-eigenartigen Modest Mouse aktiv und wegen ihrer eckigen, unrunden Energie so was wie meine Herzensband. Man muss sie nicht mögen – lieben kann man sie dafür umso mehr. Ist mir auch wurscht, wenn jetzt wieder einer kommt und sagt, die seien inzwischen auch längst im Mainstream angekommen. Die schrullige Truppe um den sehr speziellen Frontman Isaac Brock hat übrigens gerade mit Strangers to Ourselves ein neues Album vorgelegt, das aufs Neue das Kunststückchen vollbringt gleichermaßen einlullend wie aufkratzend zu sein – aber nicht nur diesen Album-Tipp wollte ich hier loswerden. Die weitere Diskografie der Band ist eine ziemliche Fundgrube voller doppelbödiger Indie-Stampfer, -Brüller und -Säusler, gelegentlich sogar tanzbarer Hymnen für die Party zum 18. Geburtstag. Und selbst wer musikalisch nicht so warm damit werden mag, kann durchaus seine Freude an den Song- und Albumtiteln haben, die oberflächlich betrachtet alle Qualitäten von verqueren Werbe-Slogans besitzen, darüber hinaus aber mit textlichem Tiefgang unterfüttert sind. Perlen der Hintersinnigkeit und schöne Anti-Titel: The Fruit That Ate Itself, The Gravity Involved in Climbing, An Apology From Dog to Cat Concerning a Comment Made Earlier ‚Bout Cats Breath, Talking Shit About a Pretty Sunset, This Is a Long Drive for Someone With Nothing to Think About, Space Travel Is Boring, Dramamine, Edit the Sad Parts, The Lonesome Crowded West, Teeth Like God´s Shoeshine, Heart Cooks Brain, Jesus Christ Was an Only Child, Long Distance Drunk, Styrofoam Boots, Building Nothing out of Something, Tiny Cities Made of Ashes, Worms vs. Birds, Four Fingered Fisherman, Classy Plastic Lumber, Baron von Bullshit Rides Again, Doin‘ the Cockroach, The Good Times Are Killing Me, Good News for People Who Love Bad News, The Devil’s Workday, We Were Dead Before the Ship Even Sank, und so weiter und so fort. Zu allen irgendwie ins Schiefe geratenen Lebensgefühlen findet sich da schon was Passendes.

Veröffentlicht von

Drittgedanke

Buntgegenstände / Drittgedanke / Die Beifängerin

6 Gedanken zu „WAHN-VERWANDTSCHAFTEN > Irgendwann werden die Biester uns holen kommen – deal with it.“

  1. Ich muss gestehen, ich hab mich mit ihnen nie so ausgiebig beschäftigt, aber die „We Were Dead Before The Ship Even Sank“ fand ich immer sehr genehm…
    Viele Grüße,
    Gerhard

    Like

    1. Ich hab sie halt gern – wo die Liebe hinfällt. Erstaunlich finde ich, dass egal was sie bislang gemacht haben sich zeitlos bis aktuell anhört, so als könnte das gar nicht mitunter 18 Jahre alt sein. Mein Liebling ist, glaube ich „The Fruit That Ate Itself“. Oder vielleicht doch „The Moon & Antarctica“? Schwierig.

      Gefällt 1 Person

  2. WOW, thx for the reminder! Habe Modest Mouse vor vielen (20? ojeee) Jahren gehört, damals voll indimäßig und Geheimtipp. Jetzt, wo ich in den Trailer höre, kommt es wieder, das gute Gefühl vom Verstandensein, damals, als alles dunkel und Endzeit war (ist allerdings mehr als 20! ojeee Jahre her.) Welcome back, MM. LG, Peggi

    Gefällt 1 Person

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