Meeres-Abend
Du schüttelst, Baum, dein dunkles Haupt,
so ganz gedanken-überlaubt,
so altersgrün, so zeitbestaubt.
Da flog der leichte Windgott aus,
mit Schwingen spitz, im kalten Saus,
und kreist und bläst ums Bauernhaus.
Dann schleicht er einer Schlange gleich
durchs wehnde Gras, hinan den Deich,
und hockt dort schwarz, vorm Abend bleich.
O Glanz des Meeres perlmutterklar!
Der Windgott schließt das Augenpaar
und lächelt schmal aus wirrem Haar.
Verschwand er dann? Der Deich ist leer.
Es schläft der Baum, das Haus, das Meer.
Aus Westen weht ein Traum daher.
(Albrecht Schaeffer)
Die See und der Wind sind Eins. Windstille ergreift nie alle Meere, nur hier und da ruht die Luft manchmal aus – Flaute -, doch weiß man: Andernorts wüten Stürme. Je besser man Wasser und Wind kennenlernt, desto mühsamer fällt es, sie nicht als eigene Wesen zu betrachten – oder gar Überwesen.
Albrecht Schaeffer (geb.1885) wuchs in Hannover auf; sein Helianth ist ein einsames Beispiel hannöverscher Monumental-Literatur. Geboren wurde er jedoch nahe der Ostseeküste im früheren Ostpreußen. Nach der Studienzeit, die er unter anderem in Berlin verlebte, zog es ihn zunächst zurück nach Hannover, später wieder nach Berlin, darauf nach Bayern – ein Wanderleben. Von Bayern aus emigrierte er 1939 mit seiner teils jüdischen Familie in die USA, wo er gemeinsam mit seiner Frau ein Heim für Emigrantenkinder gründete. Er bekam hierfür – und um weiter schreiben zu können – finanzielle Unterstützung von befreundeten Schriftstellern; Thomas Mann zum Beispiel schickte ihm Geldschecks. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück, starb aber im selben Jahr in München. Sein Grab liegt in Hannover.
Foto: Strand-Abend in Kiel-Schilksee (Grebe 2014)
Ein sehr berührendes Gedicht über den Wind „dann schleicht er einer Schlange gleich“… sehr schön! LG Peggi
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Die Schlange, die auf Verschlagenheit verweist – der Wind kann so tückisch und gemein sein. Aber er transportiert auch Träume! See-Gruß von Sonja!
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Schönes Gedicht! Der böse Och fällt mir da ein.
Das Bild ist auch schön, aber die Temperatur könnte höher sein, oder sieht das nur so kühl aus?
Nördlicher als bis zur Schlei bin ich übrigens nie gekommen. Mein Bruder nahm mich mal zum Segeln mit, es war schwacher Wind, und beim Heransegeln an die ‚Tür‘ (ich meinte die Schleuse) habe ich zu langsam reagiert und dann auch noch die falschen Handgriffe getan, weil mir die Befehle nichts sagten, da mussten wir noch ein bisschen kreuzen.
Aber das war die Schlei, und das Meer ist ja noch mal eine ganz andere Geschichte.
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Die Schlei als Fjord ist doch schon mehr Meer als jeder Binnensee! Und das Schleigebiet eine herrliche, ganz eigene Landschaft. Ja, kühl ist es hier schon, doch für November-Maßstäbe noch erstaunlich klar und mild. Auf karibische Verhältnisse wartet man indes auch im Hochsommer an der Ostsee vergebens. Das kommt mir sehr entgegen. Und zu meiner Segelfestigkeit: Ich hab gar keine – ich muss das Meer trocken lieben. Ich bin eben ein Ackermensch und bleibe mit den Füßen lieber an Land, da steckt zu viel Respekt vor der Wasserwelt in mir drin. Dafür kassiere ich ungebrochen Spott und Häme von Seiten der Familie meines Mannes – Generationen von Seemännern und segelnden Segelmachern. Auch meine Großväter, die Heringsfischer, dürften sich im Grabe umdrehen angesichts meiner mangelnden See-Tauglichkeit. Dagegen ist jeder falsche, aber versuchte Seglerhandgriff schon eine Heldentat…
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